Arbeitszeiterfassung und Equal Pay – neue Herausforderungen für Arbeitgeber

von Peter Hartmann

Zwei Grundsatzentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG), die weitere Gesetzesreformen nach sich ziehen, setzen Arbeitgeber bei den Themen elektronische Arbeitszeiterfassung und Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen („Equal Pay“) unter Zugzwang.

I. Arbeitszeiterfassung – die Vorgaben von BAG und EuGH

Mit der geplanten Reform des Arbeitszeitgesetztes (ArbZG) und des Jugendschutzgesetztes (JuSchG) reagiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 14.5.2019, Az. C-55/18) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschl. v. 13.9.2022, Az. 1 ABR 22/21). Das BAG hatte 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist – und zwar ab sofort. Dies ergebe sich aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Laut dem Gesetzentwurf soll der Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.

Umfang der Aufzeichnungspflicht
Zu betonen ist dabei zum einen, dass diese Aufzeichnung „jeweils am Tag der Arbeitsleistung“, d. h. täglich zu erfolgen hat. Zum anderen ist wichtig, dass die Aufzeichnung „elektronisch“ erfolgen muss. „Elektronisch“ ist die Aufzeichnung nach der Begründung des Gesetzentwurfs bei der Verwendung bereits gebräuchlicher Zeiterfassungsgeräte ebenso wie bei der Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder der Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme.

Übergangsfristen
Grundsätzlich soll den Unternehmen eine Übergangsfrist von einem Jahr gewährt werden. Hiervon gibt es aber Ausnahmen: Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten sollen fünf Jahre Zeit bekommen, um die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen, Betriebe mit mehr als 50 und weniger als 250 Mitarbeitenden soll eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewährt werden. Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden sollen nach dem Gesetzentwurf komplett von der Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung ausgenommen werden; die Arbeitszeiterfassung als solche bleibt aber für diese Betriebe Pflicht. Aber: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht also für alle Betriebe ab Inkrafttreten des Gesetzes. Die vorgenannten Sonderregelungen betreffen nur die Frage, ob und bis wann die elektronische Arbeitszeiterfassung umzusetzen ist.

Delegation
Die Beschäftigten könnten ihre Arbeitszeit selbst dokumentieren, dies kann aber auch durch „einen Dritten erfolgen“, zum Beispiel einen Vorgesetzten. Letztlich bleibt allerdings der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass die Arbeitszeit ordnungsgemäß erfasst wird.

Vertrauensarbeitszeit
Die „Vertrauensarbeitszeit“ soll es nach dem Gesetzentwurf auch weiterhin geben. Allerdings muss der Arbeitgeber nach dem Gesetzentwurf auch hier sicherstellen, dass Beschäftigte die gesetzliche Höchstdauer und die Ruhezeiten einhalten. Durch die Vertrauensarbeitszeit wird die Aufzeichnung der Arbeitszeit mithin nicht überflüssig. Ob zukünftig der Begriff „Vertrauensarbeitszeit“ noch passt, wenn auch bei dieser derartig weitreichende Dokumentationspflichten bestehen, sei dahingestellt.

Informationsrechte der Beschäftigten
Werden Arbeitszeiten elektronisch erfasst, erhalten die Beschäftigten das Recht, dass der Arbeitgeber sie über die aufgezeichneten Stunden informiert und ihnen Kopien der Angaben aushändigt.

Ausnahmeregelungen nur in Tarifverträgen
Ausnahmeregelungen dürfen nach dem Gesetzentwurf nur von den Tarifvertragsparteien vereinbart werden. Diese dürfen abweichende Regelungen in Bezug auf die
- elektronische Form und
- den Zeitpunkt der Aufzeichnung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen,
- für Abeitnehmer vorsehen, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird.

Vergleichbare Regelungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber sind nach dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Sanktionen
Kommt der Arbeitgeber seinen Aufzeichnungspflichten  nicht nach oder händigt er Arbeitnehmern die geforderten Informationen über erfasste Arbeitszeiten nicht aus, stellt dies jeweils eine Ordnungswidrigkeit dar. Diese kann je Verstoß mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

II. Equal Pay

In der Zukunft für reichlich Diskussionsbedarf sorgen wird ferner eine jüngere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Thema „Equal Pay“. In dieser hat das Gericht klargestellt, dass ungsgeschick allein kein geeignetes objektives Kriterium zur Rechtfertigung einer Entgelt-Ungleichheit zwischen Männern und Frauen darstellt (Urt. v. 16.2.23, Az. 8 AZR 450/21).

Konkret ging es um eine im Vertrieb beschäftigte Außendienstmitarbeiterin, welche im Vergleich zu ihren zwei männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdiente. Arbeits- und Landesarbeitsgericht als Vorinstanzen hatten die ungleiche Bezahlung damit gerechtfertigt, dass der Mann nur zu dem höheren Gehalt bereit gewesen sei, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung rechtfertige die Gehaltsunterschiede, die Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium.

Equal Pay ist keine Verhandlugssache
Dem hat das BAG nunmehr eine Absage erteilt und ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Denn sie und ihr männlicher Kollege verrichteten zwar die gleiche Arbeit, die Klägerin habe hierfür jedoch ein niedrigeres Grundgehalt erhalten. Aus diesem Grund habe sie einen Anspruch auf das gleiche Grundgehalt, wie ihr männlicher Kollege. Allein das Verhandlungsgeschick von Beschäftigten rechtfertige – so das BAG – keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung. Mit dieser Feststellung setzt das BAG der Vertragsautonomie folglich Grenzen, wenn es diese nicht gar massiv beschneidet.

Konsequenzen für die Praxis
Kann eine Arbeitnehmerin – wie vorstehend beschrieben – darlegen, dass ein männlicher Kollege mehr verdient und die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit leistet, so liegt hierin die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts. Diese Vermutung muss der Arbeitgeber seinerseits widerlegen. Er hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass objektive und geschlechtsneutrale Gründe eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen. Als solche kommen (weiterhin) die Qualifikation oder die Berufserfahrung in Betracht.

Ob es auch ausreicht, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er die Stelle ohne Gewährung einer vergleichsweise höheren Vergütung nicht in absehbarer Zeit anderweitig hätte besetzen können, bleibt abzuwarten. In Anbetracht des Fachkräftemangels und des enormen Drucks, unter dem viele Arbeitgeber stehen, werden weitere Streitigkeiten um die Grenzen des Equal-Pay-Grundsatzes sicher nicht lange auf sich warten lassen. Arbeitgebern ist auf jeden Fall anzuraten, bei künftigen Gehaltsverhandlungen genau zu dokumentieren, welche objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien zu einer konkreten Vergütungsentscheidung geführt haben.

Text Equal pay: „Veröffentlicht in Ausgabe 11/23 des Fachmagazins MTD Medizintechnischer Dialog (MTD-Verlag – www.mtd.de).

 

Zurück